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  Runenlehre
 

Die Runenlehren

Wir kennen viele germanische Runenschriften, von denen die ältesten um 200 nach der Zeitwende entstanden sein sollen; doch ist diese Zahl unsicher. Umstritten ist die Frage nach Alter und Herkunft der Runen. Dass man diese auch als Buchstaben, für Inschriften und Mitteilungen, benutzten kann, haben die Germanen wohl von einem ihrer Nachbarvölker, den Griechen, Römern oder Kelten, gelernt. Für Zauber und Weissagung, aber kann man Runen schon viel gebraucht haben; Ähnlichkeit mit den Schriftarten anderer Völker könne teils auf Urverwandtschaft, teils auch darauf beruhen, dass man bei der späteren Verwendung als Schriftzeichen einzelne Runen nach fremden Vorbild umformte oder neu einfügte.
Die Edda erzählt uns nur, woher die Runen stammen und wie man mit ihnen zaubern oder die Zukunft erfragen kann. Leider sind es nur Bruchstücke, die an verschiedenen stellen der Eddasammlung verstreut sind. (Ob diese hier richtig geordnet sind, bleibt ungewiss.)
Magisch entrückt verkündet uns der Runenmeister im ersten Stück seine geheime Weisheit. Am Urdbrunnen sitzt er, dem einst die Nornen entstiegen sind, die die Zukunft und das Menschenlos bestimmen. Was er uns lehrt, hat er vor Hars, des Hohen, Odins, Halle aus dem Munde des höchsten Gottes selbst vernommen. In Odins Runenkunde hören wir, wie Odin in seiner Jugend einmal erduldet hat, was später die Odinsopfer erlitten, indem er gehenkt und gespießt wurde, wie er dabei die Runen gefunden hat und wie er dann von seinem Mutterbruder, wohl dem weisen Riesen Mimir, tiefer in diese Weisheit eingeführt worden ist und einen Trunk getan hat von dem Zaubermet Odrörir (Geisterreger), den später die Skalden zum Dichtermet machten. Dass man die Runen schon sehr früh von den Göttern und überweltlichen Mächten herleitete, lehrt uns ein schwedischer Runenstein aus dem 6. Jahrhundert, dessen Inschrift beginnt: "Runen färb ich, raterentsprossne". Von der Deutung der Runen, die uns das zweite Gesätz von A verheißt, erfahren wir leider nichts; dieser Teil des Liedes ist verloren.
Auch das dritte Stück enthält Lehren eines Runenmeisters, die in dunklen Worten beginnen. Heiddraupnir und Hoddrofnir sind wohl Namen Mimirs. Zauberherr, Raterfürst und Thund sind Bezeichnungen Odins. Wir erfahren, dass der Zaubermet seine Kraft dadurch erhalten hat, dass man Runen hineinmischte. Menschen und Außerirdischen ist von dem Met und damit von der Kraft dieser Runen zuteil geworden. Die Schlusszeile von A warnt vor unzeitigen Reden beim Runenzauber. Das vierte Stück belehrt uns, dass alle Dinge in und außerhalb der Menschenwelt ihre Runen haben, an die ihre besonderen Kräfte gebunden sind. Wer diese Runen kennt, dem ist die Macht aller Dinge dienstbar.
Das fünfte Stück zählt Kraft und Verwendung einer Reihe von Runen auf. Dass es nicht vollständig ist, zeigt das Schlussgesätz, das noch weitere Arten nennt.
Der nächste kleine Splitter sagt uns, dass man durch Runen einen Toten zum Reden bringen kann, der beim großen Opferfest mit allerhand Getier gehenkt ist, mag er auch schon lange im Winde pendeln und mumienhaft ausgetrocknet oder hart gefroren sein.
Das letzte Gesätz gehört zu den spärlichen Resten, die uns von heidnischer Kultdichtung gerettet sind. Die Zukunft zu erfragen, ritzt man hier Runen, verbunden mit einem Tieropfer, wohl um die Gottheit gnädig zu stimmen. Indem man die Runen färbt, besonders mit Blut, steigert man ihre Kraft. Man darf sich dieser Gesätze von einem Priester gesprochen denken, der die Kulthandlung leitet, zu einem Gehilfen oder zu den Teilnehmern an der Feier. Die Form, ein starrer Kurzzeilengleichlauf, ist hochaltertümlich.

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1. Die Entstehung der Runen

1
Zeit ist's zu raunen
auf dem Rednerstuhl
an dem Urborn Urds.
Ich schaute und schwieg,
ich schaute und sann,
lauschte auf der Männer Mund:

2
Von Runen hört ich reden -
sie verrieten die Deutung
vor der Halle Hars;
in der Halle Hars
hört ich sagen so:

3
Runen sollst du finden
und rätliche Stäbe,
gar stolze Stäbe,
gar starke Stäbe,
die gerötet der Redherr
und gewirket Weltmächte
und geritzt der Raterfürst.

4
Dann zeigt sich's recht,
wenn du nach Runen fragst,
den Raterentsprossnen,
wie sie wirkten Waltmächte,
und sie zog der Zauberherr:
wer Verstand hat, bleibt stumm.

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2. Odins Runenerwerbung

1
"Ich weiß, dass ich hing
am windigen Baum
neun Nächte lang,
mit dem Ger verwundet,
geweiht dem Odin,
ich selbst mir selbst,
an jenem Baum,
da jedem fremd,
aus welcher Wurzel er wächst.

2
Sie spendeten mir
nicht Speise noch Trank;
nieder neigte ich mich,
nahm auf die Runen,
nahm sie rufend auf;
nieder dann neigt ich mich.

3
Neun Hauptlieder
lernt ich vom hehren Bruder
der Bestla, dem Bölthornsohn;
von Odrörir,
dem edelsten Met,
tat ich einen Trunk.

4
Zu wachsen begann ich
und wohl zu gedeihn,
weise ward ich da;
Wort mich von Wort
zu Wort führte,
Werk mich von Werk
zu Werk führte.

5
Nun sind Hars Reden
in seiner Halle gesagt,
gar rätlich Reckensöhnen,
nicht rätlich Riesensöhnen.
Heil, der sie wies!
Heil, der sie weiß!
Er wahre sie wohl!
Heil, die sie hörten!"

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3. Die Ausbreitung der Runen

1
Sie schuf er,
sie schnitt er,
sie ersann Siegvater,
durch den Trank,
der getropft war
aus Heiddraupnirs Haupt
und aus Hoddrofnirs Horn.

2
Sie wirkt er,
sie webt er,
sie alle setzt zusammen er
auf dem Thing,
da die Degen ziehn
zu gerechtem Gericht.

3
Auf dem Berg stand er
mit Brimirs Schneiden,
trug auf dem Haupt den Helm;
da sprach Mimirs Mund
wahres Weisheitswort
und redete Runenkunde:

4
"Runen sollst du lernen
und rätliche Stäbe,
Stäbe gar stark,
Zeichen voll Zauberkraft,
wie sie zog der Zauberherr,
wie sie wirkten Weihgötter,
wie sie ritzte der Raterfürst.

5
Dain bei den Alben,
Dwalin bei den Zwergen,
Odin im Asenreich,
Alswinn im Jötenreich;
auch ich ritzte einige.

6
So ritzte Thund
vor der Tage Beginn;
dort erhob er sich,
von wo heim er kam.

7
Abgeschabt waren alle,
die eingeritzt waren,
und in den mächtigen Met gemischt,
und weiten weg gesandt;
die sind bei den Asen,
die bei weisen Wanen,
die in der Menschen Macht."

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4. Wo Runen stehen

Auf den Schild sind sie geritzt,
der steht vor der schimmernden Göttin,
auf Arwakers Ohr
und auf Alswinns Huf,
auf das Rad, das sich dreht
unter des Donnerers Wagen,
auf Sleipnirs Zähne
und die Zunge Bragis,
auf des Schlittens Kufen
und den Schnabel des Adlers,
auf des Bären Pranke
und die Pfote des Wolfs,
auf blutige Schwinge
und der Brücke Stoß,
auf der Heilbringerin Hand
und der Helferin Spur,
auf Glas und auf Gold
und auf gutes Kleinod,
in den Wein und ins Bier
und auf gewohnten Sitz,
auf Gungnirs Spitze
und auf Granis Brust,
auf der Norne Nagel
und der Nachteule Schnabel.

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5. Runengebrauch

1
Siegrunen lerne,
willst du Sieg haben!
Auf den Schwertknauf schneide sie,
auf die Blutrinne
und des Rücken breite
und ruf zweimal Tyr!

2
Älrunen lerne,
soll eines andern Weib
nicht trügen dein Vertrauen!
Aufs Horn soll man sie ritzen
und auf den Handrücken
und ziehn auf dem Nagel "Not".

3
Den Becher soll man segnen
und vor Bösem sich schirmen,
werfen Lauch in den Labetrank;
dann bin ich gewiss,
dass Böses dir nicht
gemischt wird in den Met.

4
Gebärrunen brauche,
willst zur Geburst du helfen,
lösen das Kind von der Kreissenden!
Auf die Hand soll man sie graben
und um die Glieder sie spannen,
bei den Disen Gedeihn erflehn.

5
Brandungsrunen brauche,
wenn du bergen willst
auf der Fahrt das Flutenross!
Man brennt sie auf den Steven
und auf des Sters Blatt
und ritzt auf die Ruder sie.
Nicht ist so schwer die Brandung
noch so schwarz die Woge:
zum Hafen kommst du heil.

6
Astrunen lerne,
wenn ein Arzt du sein
und Krankheit erkennen willst!
Man ritzt sie auf die Borke
und des Baumes Gezweig,
der ostwärts die Äste streckt.

7
Rederunen lerne,
soll keine Recke ein Leid
grimmig vergelten dir!

8
Denkrunen lerne,
soll der Degen keiner
deinen Verstand bestehn!

9
Das sind Buchenrunen,
das sind Gebärrunen
und alle Älrunen
und köstliche Kraftrunen
dem, der sie unversehrt
und unverstört
sich zum Heil behält.
Nütz es, vernahmst du's,
bis die Götter vergehn!

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6. Runenweissagung

Weißt du zu ritzen?
Weißt du zu raten?
Weißt du zu färben?
Weißt du zu fragen?
Weißt du zu wünschen?
Weißt du zu weihen?
Weißt du zu schicken?
Weißt du zu schlachten?

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